Förderverein für die Technischen Sammlungen der Stadt Dresden
Junghansstraße 1-3
01277 Dresden
Deutschland


Quantity Process Computer qpc-10

Der qpc-10 ist ein Rechner mit umgekehrt polnischer Notation zum Rechnen mit einheitenbehafteten Größen. So ergibt z.B. die Eingabe

10V[enter]2mA[enter]/

das Ergebnis

5kOhm

Neben elektrischen Einheiten kennt der Rechner auch physikalische und mechanische wie z.B. Pferdestärken (hp). Neben der Ausgabe in den gebräuchlichen SI-Einheiten mit Größenvorsätzen ist auch eine Ausgabe in den grundlegenden Einheiten (s, m, kg, A, K, cd, mol) möglich. Einige Naturkonstanten sind ebenfalls verwendbar.

Von diesem Rechner ist leider nicht viel mehr bekannt, als daß ein Exemplar an der TU Dresden im Institut für Grundlagen der Elektrotechnik verwendet wurde. Dieses Gerät scheint ein Prototyp zu sein, da das Gehäuse aus Kunststoff ausgefräst wurde und auch der sonstige Aufbau nach einer Einzelanfertigung aussieht.

Eine Spur dieses Rechners findet sich in der Zeitschrift "Computerwoche" vom 6.4.1984: Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1984 wurde der qpc wahrscheinlich in einer weiter- oder zu Ende entwickelten Version unter der Bezeichnung qpc-2 vorgestellt:

DDR-Mikroelektronik auf der Leipziger Frühjahrsmesse stark vertreten
...
Besondere Beachtung beim Fachpublikum fand der Größenrechner qpc-2 (Quantity Process Computer) aus dem Kombinat Mikroelektronik. Wie es heißt, handelt es sich hierbei um einen wissenschaftlich-technischen Kleinstrechner, der parallel zu den üblichen Operationen mit Zahlen völlig selbständig und ohne jede Vorbereitung ebenso Operationen mit Maßeinheiten in beliebiger Weise ausführen kann. Nach weiteren Informationen kennt der qpc-2 mehr als 100 ''elementare'' Maßeinheiten, die untereinander in beliebiger Weise in Form eines Potenzproduktes verkettbar sind, und die weiterhin mit einem beliebigen Dezimalvorsatz oder mit einem Exponenten versehen werden können.

Der Kleinstrechner kennt und verarbeitet Einheiten sämtlicher Größen, die beliebig aus Zeichen eines standardisierten Vorrates an Einheiten- und Dezimalvorsatz-Zeichen gebildet sind. Er generiert selbständig Einheiten zu ermittelnder Ergebnisgrößen und unterstützt dabei Einheiten des Internationalen Einheitssystems. Weiterhin ermöglicht er eine beliebige Umrechnung zwischen Einheiten, beziehungsweise die Ausgabe von Größen mit bestimmten als Parameter vorgegebenen Einheiten. Neben diesem Rechner-Grundsystem gibt es noch zwei weitere Systemvarianten. Sie alle basieren auf der 8-Bit-CPU U 880 D, sind mit alphanumerischer Tastatur und Anzeige versehen und verfügen über einen Zusatzspeicher. Wie hervorgehoben wurde, gibt es bisher noch keinen Rechner dieser Art in anderen Ländern. Daher sind in zahlreichen westlichen Industrieländern beispielsweise in den USA und in der Bundesrepublik, Patente angemeldet und erteilt worden.
...''

Dieser Rechner ist auch heute noch beachtenswert, dem Autor ist kein Rechner oder auch nur ein Computerprogramm bekannt, das ähnlich elegant und natürlich mit Einheiten umgeht.


Im Innern: Geheimnisse und Patente

Im Innern ist ein vollständiges U880-System (Vergleichstyp: Z80) mit 18KByte ROM und 6KByte RAM sowie zwei PIOs U855 zu finden. Die Anzeige erfolgt über eine alphanumerische LED-Anzeige mit einer Zeile mit 16 Zeichen.

Auf der Platine sind zwei Schaltkreise ohne Aufschrift zu finden. Diese Schaltkreise ''entschlüsseln'' den Inhalt der rot markierten EPROMs durch Vertauschen und Verknüpfen einiger Datenleitungen. Die EPROMs lassen sich damit zwar problemlos auslesen, ihr Inhalt ist aber ungleich dem was der Prozessor ''sieht'' und damit für eine Analyse wertlos.

Besonders sicher diese Verschlüsselung nicht, der Typ der Schaltkreise läßt sich problemlos aus ihrer Beschaltung erkennen.

Der Grund für diese Verschlüsselung dürften die Patente sein, die auf den Rechner angemeldet wurden. Dieses Schild findet sich auf der Unterseite des Rechners. Man beachte die zahlreichen Patentnummern und die für einen Prototypen ungewöhnlich hohe, handgeschriebene Seriennummer.

Im Abstrakt des US-Patents wird die Funktion des Rechners wie folgt beschrieben:

''...
A calculator has an alphanumeric keyboard and an alphanumeric display, in order to enable entry and read out of data corresponding to specified physical quantities or the like. Internally, the calculator comprises means for transforming the input quantities as a function of the type of units entered by way of the keyboard, to a given type of unit for processing. The calculator further transforms a type of unit for display either to a specified type of unit or to a unit that either is most readable and understandable to an operator, in accordance with a given relationship, or has the smallest exponential products.
...''

 


Spuren einer Entwicklung

Informationen diesem Rechner zu finden ist schwierig. Der Rechner wurde offenbar nur in Prototypen gefertigt.

Mittlerweile hat sich aus persönlichen Kontakten zu ehemaligen Mitarbeitern des VEB Robotron folgendes Bild ergeben:

Die Idee zu diesem Rechner kam schon in den 70er Jahren einem Dr. A. Spitzner in Berlin. Er ist als Erfinder in den angemeldeten Patenten genannt und arbeitete im VEB Applikationszentrum Elektronik Berlin. Die ersten Patente wurden 1977 beantragt, Anmeldungen erfolgten in der DDR, der BRD, in einigen weiteren Ländern Westeuropas, den USA und Japan, sowie der Sowjet-Union.

Erste Prototypen wurden im VEB Applikationszentrum Elektronik Berlin gebaut, einer dieser Prototypen ist auf den vorigen Seiten dokumentiert. Das Applikationszentrum war im VEB Kombinat Mikroelektronik u.a. dafür verantwortlich, Lösungen für die Anwendung der in der DDR hergestellten Schaltkreise zu entwickeln. Eine Serienproduktion war dort offenbar nicht möglich.

Ca. 1983 wandte sich der Entwickler mit dem Rechner an die Kombinatsleitung von Robotron Dresden, die in der DDR maßgeblich in der Computerentwicklung tätig waren. Ein Problem stand der Weiterentwicklung und Fertigung entgegen: Es waren keine Forderungen von Anwendern nach einem solchen Rechner bekannt. Der Erfinder selbst konnte auch keine konkreteren Angaben machen über mögliche Absatzchancen und -zahlen. Ein Suchen nach Absatzgebieten (Marktforschung) wurde damals auch nicht betrieben, ein typisches Merkmal der Planwirtschaft.

Das technische Konzept des Rechners war einfach. Er bestand aus einem Minimalsystem auf der Basis des U880 (Vergleichstyp: Z80) und nutzte damit hervorragend die Möglichkeiten, die damals die Bauelementesituation in der DDR bot. Es war eine anwendungsbezogene Mininalkonfiguration, ohne Lüfter, auf kleinstem Raum. Zu dieser Zeit war man bei Robotron hauptsächlich noch mit Großrechnern beschäftigt, die ersten Home-Computer wurden gerade entwickelt. Für einen Spezialrechner für wissenschaftliche Berechnungen gab es keinen Bedarf. Er war im Plan nicht vorgesehen.

1984 wurde der Rechner auf der Leipziger Frühjahrsmesse als qpc-2 international vorgestellt und fand so auch seinen Weg in den Bericht der Zeitschrift "Computerwoche".

Letztendlich erschien Robotron die Sache doch zu riskant und eine Weiterentwicklung wurde abgelehnt. Auf der einen Seite war es ein innovatives, neuartiges und patentierbares Erzeugnis, auf der anderen Seite war allerdings der Aufwand für einen Neuentwurf mit der Zielstellung Serienfertigung im Großunternehmen Robotron beachtlich hoch und letztlich der Absatz nicht gesichert.

Aus heutiger Sicht ist diese Entscheidung zu bedauern. Eine konsequente Weiterentwicklung des Konzepts hätte zu einem programmierbaren Tischrechner (oder auch Taschenrechner nach Verfügbarkeit der Technologie) geführt, der auch westlichen Rechnern durch den natürlichen Umgang mit Einheiten Konkurrenz hätte machen können. So ist diese Geschichte nur ein Beispiel für Entwicklungen, die zur falschen Zeit (und am falschen Ort?) erfolgten und sich trotz einer brillanten Idee nicht durchsetzen konnten.

Sie haben Fehler gefunden, oder können diese Geschichte ergänzen? Schreiben Sie bitte an Thomas Falk.